Wenn der Diakon in die Backstube kommt
Dienstag, 31. Januar 2023

Am 5. Februar gibt es in vielen Bäckereien spezielles Agathabrot. In der Bäckerei Hodel in Altishofen werden die Agathakränze in der Backstube gesegnet.
"Gott, segne dieses Brot. Stille den Hunger aller Menschen, und lass uns bereit sein, anderen Menschen zu helfen.» Roger Seuret, Diakon von Altishofen-Ebersecken, nimmt den Wedel und besprengt die mit einer roten Masche geschmückten Agathakränze mit Weihwasser.
Das Ritual ist Höhepunkt und Abschluss einer kleinen Liturgie, die in der Backstube von Bäcker Herbert Hodel in Altishofen stattfindet. «Der Segen ist keine magische Handlung», hatte Seuret einleitend erklärt. «Er ist vielmehr ein Gebet, in dem wir Gott um etwas bitten – beim Agathabrot bitten wir um Gesundheit, um Schutz vor Feuer und darum, genug essen zu haben.» Der Diakon trägt über der schwarzen Alltagskleidung eine rote Stola, die liturgische Farbe, die an Gedenktagen von Märtyrer*innen wie der heiligen Agatha üblich ist.
Ein Ort der Begegnung
In seiner Ansprache hatte er die Bedeutung der Bäckerei Hodel für die Menschen im Dorf hervorgebogen: «Der Laden und das Café sind Orte, wo Menschen einander begegnen, das merkte man in Pandemiezeiten besonders.» Auf die Einladung von Seuret, eine Fürbitte zu sprechen, bittet Bäcker Herbert Hodel um etwas Ruhe für alle und um Gesundheit für seinen ältesten Sohn, der eine Krankheit hat. Der Segen findet in der Regel am 4. Februar, dem Vorabend des Agathatags, statt, ehe die Kränze gebacken werden.
Von der Mitte her flechten
«Die Produktion der Kränze dauert insgesamt etwa fünf Stunden», erklärt Hodel, der seit über vierzig Jahren in der Bäckerei arbeitet und diese in dritter Generation führt. Für Agathabrot wird Weizen- und Roggenmehl, Butter, Gerstenmalz, Hefe und Salz verwendet, hatte er vor der Segnung erläutert.
Nachdem der Teig ein erstes Mal aufgegangen ist, wird er von einer Maschine portioniert, die einzelnen Portionen daraufhin maschinell flach gedrückt und zu etwa 15 cm langen Rollen geformt. Mit flachen Händen rollt Hodel diese wiederum zu schlanken Strängen von etwa einem halben Meter Länge. «Der Kranz wird mit drei Strängen von der Mitte her geflockten», erklärt der Bäckermeister, zuerst die eine, dann die andere Seite. Daraufhin werden sie zu einem Kreis geformt und die Enden zusammengedrückt. «Das Ende überdecken wir mit der Masche», sagt der Bäcker lachend.
Kein Aufschlag für den Segen
Zwischen 300 und 400 solcher Kränze bäckt das Team um Herbert Hodel und seiner Frau Irène Hodel jedes Jahr, und zwar ausschliesslich zum Agathatag. Verkauft werden sie in Altishofen und zwei zusätzlichen Verkaufsstellen in Dagmersellen und Reiden.
Aus Überzeugung
«Das grosse Geschäft mache ich damit nicht, und es gibt auch keinen Aufschlag für den Segen», sagt er mit schelmischem Blick zum Diakon. Dennoch steht es für ihn ausser Frage, dass er die Tradition fortführt, die schon sein Vater, sein Grossvater und dessen Bruder, der die Bäckerei 1927 gründete, kannten. «Ich bin überzeugt davon», antwortet er schlicht auf die Frage, weshalb er Agathabrot backe. Und führt dann weiter aus, dass ihm die Gemeinschaft, die dank der Kirche im Dorf entstehe, wichtig sei. «Diesen Wert möchte ich weitergeben», sagt Hodel, der sich als gläubigen Menschen bezeichnet. «Wenn man gut durchs Leben geht, kommt auch Gutes zurück», ist der überzeugt.
Dass er dem Diakon jeweils «etwas zusteckt» für einen guten Zweck, erwähnt er nur nebenbei. Ebenso, dass er einem mental nicht so starken Jungen eine Lehre ermöglicht und fünf seiner insgesamt neuen Angestellten schon seit ihrem Lehrabschluss in seiner Bäckerei arbeiten.
Gottes Gegenwart im Alltag
Ob die Leute, die das Agathabrot kaufen, die Geschichte der sizilianischen Märtyrerin kennen, können weder der Diakon noch der Bäcker mit Sicherheit sagen. «Wir weisen vor dem Agathatag im Pfarreiblatt jeweils auf den Hintergrund dieses Brauchs hin», sagt Seuret. Hodel glaubt, dass die Menschen das Brot bewusster essen, wenn sie wissen, dass es gesegnet ist. Manche würden den Kranz auch aufhängen, wie die Palmwedel des Palmsonntags, zum Schutz vor Brand oder Krankheiten.
«Früher haben wir am Agathatag auch Mutschli gebacken, die man zerteilen und dem Vieh verfüttern konnte.» Heute, wo nicht mehr jeder Bauer fünf Kühe habe, sei das jedoch nicht mehr gefragt. Der Bezug zur Landwirtschaft, die einst existenziell war für die tägliche Nahrung, könnte denn auch ein Grund sein, weshalb die sizilianische Märtyrerin hierzulande so populär geworden ist, vermutet Roger Seuret. «Vor dem Alpaufzug verfütterte man früher dem Vieh Agathabrot, damit es gesund bleibe. Im Mittelalter war es zudem nicht selbstverständlich, dass man jeden Tag genügend zu essen hatte.»
Diesen Gedanken hatte der Diakon auch in die Liturgie zur Segnung des Agathabrotes aufgenommen: «Menschen mit Nahrung zu versorgen, ist eine schöne Aufgabe», sagte er in der kurzen Ansprache, und wies auf die Bedeutung des Brotes im Christentum hin: «Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. So erinnert uns das Brot im Alltag immer an die Gegenwart Gottes.»
Sylvia Stam
Erstpublikation 2022
Im «pfarrblatt Bern»